Software-Distribution: Spannungsfeld VAD — Broadliner: »Wir sind schneller, witziger, besser als die Broadliner«

Ein Wermutstropfen trübt bei allen Software-VADs, die Ressourcen in die Marktakzeptanz eines Produkts gesteckt haben, über kurz oder lang die Erfolgsstory: Kaum haben sie es geschafft, ein Produkt erfolgreich im Markt zu platzieren, wechseln die dazu gehörigen Hersteller zum Broadliner.


June 10, 2004
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Markus Kürschner, Geschäftsführer von Maily Software, der in diesem Jahr bereits ein Wachstum von rund 20 Prozent verzeichnet und dessen Kritik deshalb nicht unbedingt aus Erfolglosigkeit erwächst, sieht dafür keine Notwendigkeit: »Es gibt genug Kanäle, um eine Software flächendeckend zu verkaufen und die Kunden dabei exzellent zu bedienen, ohne auf die Broadliner zurückgreifen zu müssen, die dabei oft noch die Preise ruinieren.«


Doch selbst Kunden, die Maily mit aufgebaut hat, wie beispielsweise die Software »Mindmanager« oder »VMware«, die jetzt in Projekten zu 1.000er oder 5.000er Stückzahlen geordert werden und damit auch ins Interesse der Broadliner rücken, werden abtrünnig. »Es hat natürlich eine gewisse Zwangsläufigkeit«, gibt Jürgen Herzog, Gesellschafter von Mindjet, Hersteller der Software Mindmanager, zu. »Wenn eine bestimmte Größe erreicht ist, wird für den Hersteller der Gang zum Broadliner verlockend. Schließlich verfügt dieser über Kontakt zu den Topkunden.« Dafür nimmt er auch in Kauf, dass die Preise und damit der Profit zwangsläufig den Regeln des Volumengeschäfts folgend nach unten gezogen werden.


Also müssen sich spezialisierte Software-VADs – und nicht nur die, denn auch in anderen Produktsegmenten gibt es diese Beispiele – naturgegeben damit abfinden, dass sie die mühevolle Aufbauarbeit leisten, während die Broadliner später, wenn die Volumen fällig werden, absahnen? »Die Startarbeit für eine neue Software können und wollen die Broadliner nicht übernehmen, denn die ist zu aufwendig und mühevoll«, bestätigt Herzog aus eigener Erfahrung.


Eine Frage, so alt wie die Distributionswelt. Sie wird jedoch um so brisanter, je mehr sich die Broadliner in die VAD-Sparte drängen. Und das tun sie derzeit vehement. Allerdings nicht mit der totalen Konsequenz, sich mit der Markteinführung unscheinbarer Produkte zu belasten, deren Erfolg auf den ersten Blick nicht zu 100 Prozent ersichtlich ist. Die VAD-Kompetenz der Broadliner liegt den eigenen Aussagen zufolge in der Beratung, in der sich beispielsweise Ernesto Schmutter, Senior Director Software bei Ingram Micro, ebenso stark aufgestellt sieht wie ein Spezialdistributor.


»Wenn gerade Logistiker gefragt sind, sind die Broadliner Logistik-Spezialisten. Jetzt ist das Fach-Know-how gefragt, dann sind sie halt plötzlich VADs«, ärgert sich Kürschner, normalerweise ein Zeitgenosse, der mit jedem gut auskommt und bei Ingram zu den Topkunden zählt. Denn so schnell ginge das nun doch nicht, mit dem Erfahrungsaufbau, meint er. Das Kow-how von Spezialdistributoren wie beispielsweise von Maily, Novastar oder Trade up sei gewachsen und speziell an das jeweilige Produktportfolio angepasst. Und es gibt nicht wenige Punkte, in denen die kleinen Mehrwert-Distributoren den Großen überlegen seien: Die Mitarbeiter pflegten einen langjährigen, engen Kontakt zu den Kunden, sie seien mit dem Produkt verbunden – schließlich hätten sie ihm erst Existenzberechtigung verliehen – , sie hätten ein Lösungs-Know-how über das komplette Portofolio hinweg, auch das fehle den Broadlinern. Und das merkten auch die Kunden. »Wir sind schneller, witziger, besser als die Broadliner«, dabei bleibt Kürschner.


Die Marktmacht der Broadliner wird bestehen bleiben und hat vor allem im Volumengeschäft voll und ganz seine Berechtigung. Auch wird zweifellos nie ein Mitbewerber EKs anbieten können wie einer der Großen, und die Bedeutung der Broadline VAD Divisions wird zunehmen. Doch es ist auch für jeden sicherlich einsichtig, dass der Job eines Broadliners – auch in seinen VAD Divisions – nun mal der ist, Volumen zu machen. Das ist das Geschäftsmodell. Und das wird zwangsläufig eben manchmal zu Lasten des Spezialistentums gehen.


Und Fakt ist: Die Großen profitieren von der Basisarbeit der Kleinen. Wäre es da nicht einfach fair, wenn Actebis, Ingram Micro oder Tech Data eine Art »Solidaritätszuschlag« zahlen würden dafür, dass diese ihnen den Markt mundgerecht aufbereiten?


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