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BTO versus Assemblierung: Schrauben – oder schrauben lassen?


Alltag eines Assemblierers, der aus verständlichen Gründen seinen Namen nicht genannt wissen will: »Auch wir hatten letztes Jahr die RegTP (Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post) bei uns im Haus, die zwar mit der Begründung einer stichprobenartig ausgewählten Begutachtung kam, in Wahrheit aber von einem Mitbewerber in Trab gesetzt worden ist. Also nicht immer ist die RegTP der Bösewicht, sondern vielleicht auch ein Neider oder ein Billig-Schrauber, der einem etwas auswischen will.« So muss der Alltag jener Fachhändler und Systemhäuser nicht immer aussehen, die in mehr oder weniger großer Stückzahl PC-Systeme assemblieren. Eine Ausnahme ist dies allerdings nicht. Auch nicht die Tatsache, dass zu prüfende Geräte von den Mitarbeitern der RegTP mitgenommen werden, um sie im Labor auf Herz und Nieren zu testen. Was, wie ein anderer Assemblierer völlig richtig kritisiert, »meist dazu führt, dass die Geräte durchfallen«.

Prüfer, die durchs Lager eines Händlers schleichen, nach Konformitätserklärungen suchen, strittige Komponenten oder PCs einsacken und zur Nachprüfung mitnehmen. Lieferanten, deren Komponenten mal den EMV-Test mit Bravour bestehen, dann aber wieder strahlen wie ein halbes Kernkraftwerk. Und das alles kostet Zeit, Geld und noch mal Geld. Wer, so fragt man sich, tut sich freiwillig so etwas an. Warum schrauben Tausende von mehr oder weniger gut ausgebildeten Technikern tagaus, tagein Rechner zusammen, obwohl es auf dem Markt PCs in jeder Größenordnung, für nahezu jede Anwendung und für jeden Geldbeutel gibt?

Drei Stunden Montage für 100 Euro

Sicherlich ist es nicht die Lust an Qualen, die einen Masochisten auszeichnen würden. Sicherlich ist es auch nicht die Lust am tollen Verdienst, denn für das Zusammenbauen eines PC kann ein Fachhändler gerade mal irgendwo zwischen 20 und 100 Euro in Rechnung stellen. Schon eher ist es die Mischkalkulation, die durch den Verkauf der Komponenten für einen kleinen Gewinn sorgt. Wesentlicher dabei ist aber die Kundenbindung, die mit dem Assemblieren erreicht wird. »Wir erfüllen Kundenwünsche, die kein Hersteller erfüllen kann«, sagt beispielsweise Volker Fiedler, Ein- und Verkäufer bei Karl Gross Computersysteme in Frankenberg. Das Traditionsunternehmen, 1981 gegründet, liefert auf Wunsch Design-Rechner ebenso wie Powermaschinen. »Eben alles, was ein wenig in Richtung Sonderfertigung geht.« Bei solchen Produkten sind private Endkunden auch mal bereit, 1.500 oder 2.000 Euro auf den Tisch zu legen.

Eine Erfahrung, die auch Dieter Mühlbauer, Geschäftsführer der Mücom in Neuenmarkt, gemacht hat. »Im Privatkundenbereich, der etwa ein Drittel unseres BTO- und Assemblier-Geschäftes ausmacht, sind die Menschen durchaus bereit, Qualität und Service entsprechend zu honorieren.« Als Beispiel verweist er auf einen 75-jährigen Kunden, »der sich jetzt dazu entschlossen hat, zum ersten Mal in seinem Leben einen Computer zu kaufen und auch bereit ist, für Beratung und Schulung Geld auszugeben«.

Natürlich, so Mühlbauer, seien solche Fälle Ausnahmen im Assemblier-Geschäft. Aber es zeige, wie nötig diese Leistungen des Fachhandels seien und dass der Fachhandel trotz des Preisdrucks durch Retailer und Discounter in interessanten Nischen Position beziehen könne. Das trifft nicht zuletzt auch beim Business-to-Business zu. Hier müsse das Thema Qualität ganz weit vorn stehen, betont Fiedler. Wird hingegen auf das Besondere beim jeweiligen Rechner verzichtet, werden die Produkte im Build-to-Order zusammengestellt.

Die Zahl der assemblierenden Fachhändler schwankt im Langzeitvergleich. Derzeit beschäftigten sich etwa 50 Prozent der Reseller mit dem Zusammenbau mehr oder weniger individueller PCs – vom Standardgerät, das man auch für wenige hundert Euro beim Großanbieter erwerben könnte, bis hin zur Sonderanfertigung für schwierigste Einsatzbereiche. »Ich schätze, dass etwa die Hälfte der Händler assembliert«, bestätigt Vobis-Vorstand Jürgen Rakow die von CRN-Channeltrack ermittelte Quote. Ebenso schätzt auch Frank Garrelts, Vorstand Akcent Computerpartner, den Anteil »bei 47 Prozent, wie unsere Umfrage bei unseren Mitgliedern ergeben hat«.

Wird assembliert, verdient die Distribution

Gleichwohl überschütten die Assemblierer keineswegs den Markt mit einer Flut von PCs. Im Schnitt liegt die Jahresproduktion eines Händlers zwischen 100 und 300 Geräten. Das ist nicht viel, selbst bei der Menge der Fachhändler in Deutschland. Darum sehen die großen Hersteller und selbst die Distributoren in den Assemblieraktivitäten des Fachhandels keine Gefahr für ihr Geschäft. »Im Gegenteil, wir profitieren davon, wenn sie die Komponenten zum Beispiel bei uns in der Distribution einkaufen«, stellt Rakow fest, der neben Vobis auch dem Grossisten Adam Riesig vorsteht. Mehr noch, Rakow, in Personalunion auch Geschäftsführer der Marke Yakumo, spornt den Handel sogar an. »Assemblieren ist eine große Chance für den Handel. Die Kundengruppe ist eine andere, als wir sie mit unseren Produkten bedienen.«

Mühlbauer gehört mit seiner Firma Mücom, die auf eine Produktion von etwa 250 Stück im Jahr kommt, zu jenen Händlern, die aufgrund der überhand nehmenden Gesetzesvorschriften immer häufiger BTO anbieten als ihre eigenen Assemblierungsleistungen. Und dieser Kreis wird immer größer. Selbst wenn mal ein Kunde seinen Rechner vom Händler seiner Wahl zusammengebaut haben möchte, schlägt ein von CRN befragter Händler einen durchaus einleuchtenden Weg vor: »Ich verkaufe ihm alle Einzelkomponenten einschließlich Gehäuse, Kabel bis hin zu den nötigen Schrauben. Er zahlt und gibt mir anschließend den Auftrag, diese Komponenten zu einem PC zusammenzubauen.« Was hat dieser Reseller besser gemacht als manche seiner Kollegen? »Die Komponenten sind Qualitätsprodukte mit allen notwendigen Prüfzeichen, entsprechen also damit der Norm. Wenn mir jetzt der Kunde den Auftrag erteilt, den PC zu bauen, ist er verantwortlich, und wir nur die Ausführenden. Denn rechtlich darf der Besitzer mit seinem Rechner machen was er will, und muss auf keine CE-Normen Rücksicht nehmen.«

Das sieht Thomas Feil, Rechtsanwalt und Syndikus der Akcent Computerpartner AG, differenzierter. »Der Einbau im Kundenauftrag und eine entsprechende vertragliche Gestaltung, dass der Kunde allein für die CE-Kennzeichnung verantwortlich ist, führen nicht zu einer Entlastung der Fachhändler.« Denn das EMV-Gesetz stelle bei der Definition des Herstellers nicht auf die vertragliche Beziehung und Fallgestaltung ab. Vielmehr werde in der Definition nur auf die Veränderung, den Aufbau oder die Anpassung verwiesen. »Die tatsächliche Handhabung des Vertrages ist von Bedeutung, nicht die gewählte vertragliche Konstruktion.« Im Klartext: Im Zweifelsfall trägt immer erst einmal der Fachhändler die Verantwortung für die CE-Kennzeichnung.

Beim Assemblieren von PC-Systemen müssen sich die Fachhändler noch über weitere Hürden im Klaren sein. »Auf jeden Fall sollten Rückstellungen für Garantie und Service getätigt werden«, sagt dazu Dirk Heynig, Sales- und Marketingdirektor bei Bluechip in Meuselwitz. Und nicht nur RMA-Fälle wollen finanziell sichergestellt sein, auch diverse Gebühren wie beispielsweise VG Wort dürfen nicht vergessen werden. Auch für Heynig stellen die assemblierenden Reseller keine ernsthafte Konkurrenz dar. Obwohl Bluechip neben den Eigenmarken und BTO auch im Auftrag anderer Unternehmen Computersysteme produziert, sei laut Heynig durchaus noch Platz für die Assemblierer.

»Wer beispielsweise schon Techniker im Haus hat, für den ist es durchaus sinnvoll, auch solche Leistungen anzubieten.« Ob damit allerdings viel Geld zu verdienen ist, bezweifelt auch er. »Einen vernünftigen Nettoertrag damit zu erwirtschaften wird schwierig, wenn die Komponenten nicht über den Spotmarkt gekauft werden.« Außerdem würde auch Bluechip als Distributor vom Komponentenbedarf der Assemblierer profitieren.

Während viele Händler am Assemblieren festhalten, hat sich Jan Amberg aus Euendorf von diesem Geschäft weitgehend abgewandt. Dem Betreiber eines Ladengeschäftes und Systemhauses ist »der Aufwand zu enorm, weil zu viele Wünsche aufeinander treffen«. Außerdem befürchtet Amberg eine zu hohe RMA-Quote durch Kartenprobleme. »Ich habe schon mehr als einmal erlebt, dass die Produkte der Hersteller nicht richtig getestet waren und dadurch schnell Probleme entstanden sind«, erzählt er. Deshalb biete er in 90 Prozent aller Fälle im BTO-produzierte Rechner an, wobei er häufig auf Maxdata zurückgreift. »Die haben sich zwar den Ruf erarbeitet, wenig flexibel zu sein, kaum vom Standard abzuweichen, trotzdem bin ich mit dem Hersteller zufrieden.«

Überhaupt sollten Assemblierer sehr genau auf die Komponenten achten, die sie für den Einbau benutzen. Das fange bereits mit dem Gehäuse an, das häufig den strengen Anforderungen der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) nicht entspricht. Zudem würde oft an der Qualität der Netzteile gespart, wie Rakow erfahren hat. Wobei für ihn der Grund »ganz einfach darin liegt, dass es zwischen einfachen und qualitativ hochwertigen Netzteilen Preisunterschiede von über einhundert Prozent gibt«.

Auch Akcent-Vorstand Garrelts warnt davor, beim Assemblieren mit der EMV-Verordnung leichtfertig umzugehen. »Manchmal kommen da Kombinationen in einem PC zusammen, die zu äußerst kritischen Folgen führen können.« Deshalb müsse man das Feintuning ebenso beherrschen, »wie das Zusammenschrauben der Rechner unter der Berücksichtigung der Gewährleistungsrichtlinien«. Vielleicht sind es gerade die vielen kleinen Hürden, die zumindest die Zahl der Assemblierer nicht wesentlich steigen lässt. Denn der Markt dafür ist vorhanden – wenngleich auch relativ klein. Selbst öffentliche Auftraggeber, so Rakow, würden die Leistungen eben jener Assemblierer nachfragen. »In Berlin werden häufig große Ausschreibungen von Händlern gewonnen, die assemblieren können«, berichtet der Vobis-Vorstand.

Billige Komplett-Systeme dämpfen die Assemblierer

Und nicht nur große, auch kleinere Aufträge im Business-to-Business bleiben bei den technisch versierten Händlern mit zwei oder drei Technikern hängen. »Der überwiegende Teil unserer Partner assemblieren, allerdings ist der Trend rückläufig«, sagen unisono Gerhard Seippel, Leiter Franchise Operations bei PC Spezialist und Friedrich Pollert, Prokurist der Verbundgruppe Microtrend. Anders fallen dagegen die Antworten bei der Frage nach dem Ertrag aus. Während die individuelle Zusammenstellung eines Wunsch-PC immer noch einen höheren Rohertrag als beim Fertigprodukt verspricht, so Seippel, dämpfen die permanent sinkenden VK-Preise für Komplett-Systeme das Vorpreschen in die Assemblierung wieder. Zu guter Letzt sorgt dann noch das Elektroschrottgesetz für eine zusätzliche Hürde.

Trotzdem: Assemblieren lohnt sich immer dann, wenn Kundenbindung gefragt und wenn Sonderwünsche zu erfüllen sind. Das große Geschäft ist es nicht. Aber ein Leistungsangebot, das zumindest ein klein wenig unabhängig vom reinen Hardwareverkauf macht. Wenn ein Assemblierer dann auch noch die gesetzlichen Richtlinien und Verordnungen einhält, bleibt er auch vom RegTP-Prüfer verschont – sofern nicht ein neidischer Schrauber quer schießt.

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